Ein Märchen aus dem Alltag
Es war einmal ein König mit Namen „Kunde“. Er liebte es sich von seinen Untergebenen, den Händlern umschmeicheln zu lassen. Er mochte es, wenn sie Kunststückchen vollführten, sich verbogen und ihre eigene Glaubhaftigkeit aufs Spiel setzten, nur um seine Gunst und Aufmerksamkeit zu erlangen. Und wenn die Händler das alles auch noch ohne Gegenleistung taten, um sich Gegenseitig auszustechen, oh das gefiel ihm sehr.
Nun könnte man meinen das er diese Händler ins Herz geschlossen hätte und diese sich seiner Gunst gewiss, ein gutes Leben führen konnten. Aber ach ohje, kaum kam ein neuer Untergebener des Weges der sich noch mehr in devoter Gaukelei verstand, verstieß und vergaß der König Kunde die zuvor noch lieben Untergebenen von einer Minute auf die andere…
Das dieses Märchen auf gar keinen Fall ein Happy End für die Untergebenen haben wird, ist abzusehen. Und trotzdem passiert genau das tagtäglich zwischen Kunde und Händler oder Dienstleister.

Kunde = König – das unumstössliche Gesetz?
Sich diesem allseits bekannten Dogma unterwerfen verspricht für viele Händler sichere Umsätze, denn ein Kunde muss um jeden Preis zufrieden gestellt werden. Aber ist das automatisch richtig?
Im Gegenteil, diese Einstellung ist sogar für deine Marke gefährlich. Einmal so bei deinen Kunden gespeichert, wird es schwer sein, dein Image zu verändern.
Ein Beispiel: Amazon-Chef Jeff Bezos, der mit einem geschätzten Vermögen von 131 Milliarden US Dollar seit Jahren die Forbes Liste der reichsten Menschen der Welt anführt, hat diesen Reichtum als (Online)Händler gemacht. Sein intern ausgegebenes und offensichtlich verdammt erfolgreiches Credo lautet: „Das Produkt vom Kunden ausdenken“. Aber ist ein Kunde deshalb dort automatisch zu autoritärer Macht befähigt?
Falls du dir jetzt nicht sicher bist: Hast du schon einmal auf der weltgrößten Handelsplattform versucht als Kunde deiner Meinung über etwas Gehör zu verschaffen was dort nach deinem Empfinden falsch läuft? Denkst du, man würde dir uneingeschränkt zustimmen und alles für dich ändern? Eher nicht. Und im Gegenzug gefragt – Ist deshalb diese Plattform unbeliebt?
Also scheint das Unternehmen mit seiner selbstbewussten Haltung doch einiges richtig zu machen. Ob das allen gefällt oder nicht.
Natürlich ist es aufgrund sinkender Kundenloyalität, nicht zuletzt wegen solcher globalen Walfische sehr einfach in die alten Regeln zu verfallen und das Credo „Kunde ist König – um jeden Preis“ zu leben. Aber warum haben wir denn überhaupt in den letzten Jahrzehnten so einen rapide sinkenden Loyalitätsbonus auf der Kundenseite? Die Hauptgründe liegen in der Globalisierung mit ihren einher gehenden sich schnell wandelnden Märkten und der wachsenden Menge an Mitbewerbern und an der Digitalisierung, welche es schafft, dass die Konkurrenz visuell einfacher verfügbar ist.
War vor einigen Jahrzehnten der Jeansladen an der Ecke eines tausend-seelen Dorfes der unangefochtene Platzhirsch, kräht heute kein Huhn und Hahn mehr nach ihm. Dem Kunden zu Fuße zu kriechen wird seine Situation aber langfristig auch nicht verbessern.
Weiter in alten Schubladen denkend verfallen viele Händler in althergebrachte Abläufe: Ein guter Kunde um jeden Preis. Rabatte bis man drauflegt, Hauptsache der Kunde bleibt uns treu. Dienstleistungen kostenlos, um die Gunst des Königs Kunde zu erhaschen.
Einmal als Händler an solch einer Stufe angekommen wird es schwer sein, wieder in erträgliche Regionen zu kommen.
- Ein Kunde vergisst nicht.
- Kostenlos ist nichts wert und
- Was günstig ist taugt auch nichts.
Ausweg Bauchladenprinzip?
Oft kann man dann beobachten wie diese sterbenden Läden versuchen, es jedem Kunden recht zu tun. Da kommt ein Kunde und fragt statt nach Jeans, ob es auch Socken gibt – ab ins Sortiment. Ein anderer Kunde meinte sich zu erinnern, dass es hier schon mal Trinkbecher gab. Auch noch ins Sortiment. Hauptsache der Kunde ist zufrieden.
Aber die Kunden werden trotzdem ausbleiben, weil ein Bauchladen nun mal keine Kompetenz für Jeanshosen ausstrahlt. Eigentlich strahlt so ein Laden eher Verzweiflung aus. Und als Kunde will man beim Kauf ein Glücksgefühl haben und kein Mitleid.
Nein ist eine Tugend!
Allen Menschen recht getan … man verbiegt sich hat tausend Dinge, tut aber nichts mehr perfekt.
Im Falle des beispielhaften Jeansladen brauch es eine klare Entscheidung. Ob das nun die Verlagerung des Verkaufsgeschäfts in die digitale Welt sei oder eine Spezialisierung auf eine Nische, die es Global sehr wenig gibt – ein selbstbewusster starker Standpunkt signalisiert, dass du weist was du da tust.
Eine Entscheidung für das eine ist immer automatisch eine Entscheidung gegen etwas anders. Das führt dazu das es nicht nur Menschen gibt, die deine Leistung nutzen wollen sondern auch Kunden, die deine Marke ablehnen werden. Sehr wahrscheinlich ist das dann einfach nicht deine Zielgruppe.
Eine Scheinloyalität auf Zeit
Langfristige Loyalität basiert auf Wertschätzung und respektvollem Miteinander auf Augenhöhe. Der Kunde weis genau was er an Dir hat, was er woanders vermisst. Und das wird der Grund sein warum aus einem Kunden ein loyaler Kunde wird.

Mach es also wie Jeff Bezos, beschau deine Dienstleistung oder Handelsplattform aus Sicht des Kunden und überlege Dir, was genau Dich für deine Zielgruppe so einzigartig macht. Verkörpere das und du wirst loyale Kunden gewinnen und mit denen auf Augenhöhe verhandeln können.

Anja Rehlinger ist eine hessische Frohnatur und Mutter zweier süßer Banausen, die sie auf Trapp halten. Neben ihrem Hauptjob als Bürokauffrau ist für sie das Schreiben von Blogartikeln eine gelungene Abwechslung im Berufsalltag.